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Über Kräuterhexen und Wiesenstriegeln

Leute, es wird Frühling. Das ist so großartig! Freu! Das Ende stundenlanger Heunetz-Präparationen, frostig klammer Finger und matschiger Dreckdurchgänge zwischen den Weiden naht :-). Allein der Gedanke an ergrünende Wiesen und blühende Blümchen macht gute Laune. *Der folgende Artikel enthält unbezahlte Werbung*





Sauerampfer, Brennessel und allerlei anderes Küchenkkraut

Allenorten beginnen sich Weiden in knatschgrüne Fressgebiete zu verwandeln. Und was geht bei uns? Oh man, irgendwie geht hier noch gar nichts. Ja, nein, also klar, auch bei uns sprießt so einiges. Vornehmlich allerdings beschränkt sich die Schaffenskraft auf eher unerwünschtes Gekraut. Wiese 2 und 3 (stimmt :-), besonders kreativ waren wir bei der Benennung unserer Portionsweiden nicht) sehen aus der Ferne eigentlich noch ganz stattlich aus. Doch bei näherer Betrachtung – äh, ja also, hm. Flächendeckend durchzieht ein kuscheliger Moosteppich die Wiesen, überall haben sich Vogelmiere, dicke Knubbel von Sauerampfer und zunehmend größer werdende Brennnesselnester breitgemacht. Oh, und Disteln und Giersch haben wir natürlich auch. Eigentlich sollten wir schnell ein Schild an die Straße nageln: "Wildkräuterwiese zur Selbsternte – biologischer Anbau" und uns der Pflänzchen durch einen kleinen Nebenerwerb entledigen. Ich sehe schon, wie Fans der heimischen Kräuterküche mit Picknickdecken und Töpfen auf die Koppeln ziehen, um sich an Ort und Stelle ein vegetarisches Festmenü zu zaubern. Leider zählen wir selbst nicht zu den hippen, veganen Hygge-Leuten und ganz offenbar finden unsere Ponys die angesagten Salatzutaten geschmacklich auch nicht sehr überzeugend. Verdammt. Um der Lage Herr zu werden, müssen wir also ziemlich bald damit beginnen, die imposanten Ampferbüschel mit dem Spaten auszugraben und Brennnesseln mit der Sense zu Leibe rücken. Das allein löst nur leider nicht das Problem: wir brauchen mehr Gras auf unseren Weiden! Denn mal abgesehen vom würzigen Küchenkraut sieht es in weiten Teilen so aus, als hätte hier das jährliche Familienfest der regionalen Wildschweinrotten stattgefunden.


Als erste Aktion zum Aufpäppeln der Weiden mussten wir noch restliches Mulchgut aus dem Herbst von der Wiese harken. Irgendwie lag da doch noch erheblich mehr herum, als wir dachten ...


Also gut. Mehr Gras zu produzieren ist ja eigentlich auch gar nicht so schwer. Etwas Dünger drauf (die Bodenproben haben eh einen gewissen Nährstoffmangel ergeben) und schwups, ist der Ponytisch gedeckt! Aber – natürlich – kommt noch ein "Mimimimi": sooo viel Gras soll es eigentlich nicht sein. Schließlich sind eher karge, Hufrehe- und EMS freundliche Weiden auch für gesunde Ponys die bessere Wahl. Uns geht es nämlich nicht anders als 90 % aller Ponybesitzer, deren Hottis schon beim Anblick eines Gänseblümchens einen halben Zentner zunehmen. Heu machen wir auch nicht selber, sondern greifen auf tolle Rundballen unseres Heubauerns zurück. Dennoch, und nun folgt der Salto rückwärts: ganz ohne Wiesengras funktioniert die Haltung von Dauerfressern im Offenstall leider auch nicht. Tschakabum!


Da wir also befürchten, dass Dünger etwas zu viel Power in die Koppeln trägt, haben wir uns zu einer professionellen Nachsaat entschieden. Die Saatgutausbringung im Grünland, wie sich das Ganze im Pflanzenbau schimpft, hat das goldene Ziel, eine rasche und deutliche Bestandsverschiebung hin zu gewünschten Grasarten herbeizuführen. Genau das was wir wollen, yay!



Der Plan: Nachsäen mit Wiesenstriegel

Da unser Grünland nicht im Bestzustand ist, sollte das Nachsäen per Nachsaatstriegel erfolgen bzw. mit einem Wiesenstriegel mit Nachsaateinrichtung. (Ich könnte mich jetzt noch kilometerweise über Nachsaatvarianten, Übersaaten und Neuansaaten auslassen, aber ich bin ja schon froh, dass Ihr überhaupt noch lest). Warum? Weil die Sache mit dem Striegel entscheidende Vorteile hat:

  1. Wir können bestimmen, wie viel wir nachsäen wollen (Saatstärke in kg/ha).

  2. Nachsaatstriegel können die Grasnarbe öffnen – sind also quasi auch eine Art Monstervertikurierer.

  3. Das Saatgut wird gleichmäßig und bedeutend schneller, als es uns von Hand gelingt (alles schon gemacht), über die gesamte Fläche verteilt.

  4. Last but not least: das rausgerupfte "Gewölle" wird gleichmäßig auf den Flächen verteilt und schafft beim Zersetzen eine kurzweilige organische Düngung.

Punkt 2 und 3 sind angesichts unserer vemoosten, Kraut durchzogenen Weiden und der nahezu kahlen Lieblingsstellen unserer vierbeinigen Feinschmecker (Stichwort: Wurzelverbiss und Vertritt) natürlich super. Der verfilzte Boden erhält durchs Einritzen Luft zum Atmen und dem Moos geht es zumindestens in Ansätzen an den Kragen.



Punkt 0 – also die Entscheidung, was genau wie nachsäen wollen, war eine Wissenschaft für sich ... In unserem Fall – dicke Ponys, dünne Wiesen – wollten wir möglichst zuckerarmes Gras nachsäen. Heißt: das Saatgut sollte wenig Deutsches Weidelgras (das ist das, was Hochleistungsmilchkühe als Energiequelle brauchen) enthalten. Dieser Wunsch führte sowohl beim Bio-Landwirt unseres Vertrauens sowie der Heidesand AG zu einem spöttischen Gelächter ("diese Pferdeweiber wieder").


Kleine Anmerkung:

Eigentlich hätten wir dem Sauerampfer und den anderen unliebsamen Wiesenbewohnern schon VOR dem Nachsäen den Kampf ansagen sollen. Ebenso hätte der Altgrasbestand möglichst auch nur ca. 5 cm kurz sein sollen (das war nicht überall der Fall). Aber nun, unsere kleinen, sorgsam gewählten Grassamen werden sich auch so durchsetzen. Wir helfen ihnen ja mit Spaten und Sense auch ganz bald. Es bleibt nun einzig noch die Frage, wie wir Petrus davon überzeugen können, sich gegen die Mehrheit der Norddeutschen zu stellen und – wie verdammt noch mal vorausgesagt – endlich den Regen herunterzuschicken. Denn natürlich muss in der Phase der sogenannten Bestandsetablierung ausreichend Bodenfeuchtigkeit vorhanden sein. Auch fürs Anwurzeln sollte es jetzt Regen fallen. Für eine bessere Bodenhaftung kann man die Samen aber auch einfach etwas andrücken. Nur sind wir jetzt leider arg spät dran (zum Säen eigentlich nicht, aber hinsichtlich der landwirtschaftlichen Jahresplanung wohl schon) und bekommen ad hoc keine Walze auf die Weiden. Die Kollegen um uns herum sind längst schon beim Düngen und haben keine Zeit für unsere Kinkerlitzchen. Deshalb müssen die Ponys nun beim Überdiewieselaufen ihr Sommermenü selbst in die Erde trampeln und so für den nötigen Bodenschluss sorgen. Na, und dann wird Julian, Jessys jüngster Spross, noch mit der Familienkarre ein paar Runden über die Koppeln cruisen – endlich mal coole Kinderarbeit :-). Naja, sie werdens schon schaffen, die kleinen Samen. Falls Ihr das zeitlich besser takten könnt, dann besorgt euch eine Profilwalze, die die Samen buchstäblich in den Boden "einmassiert", und achtet darauf, quer zu den Rillen über die Wiese zu rollen. Ihr sollt das Saatgut auch nur andrücken und nicht zuwalzen. Das Walzen muss auch zügig nach der Aussaat erfolgen, bevor die Samen zu keimen beginnen. Rückt Ihr zu spät mit der Walze an, würdet ihr die Keimlinge schlichtweg plattwalzen und alle Mühe (und das Geld) wären umsonst. Wie gesagt, auf das ganze Walz-Theater könnte bei ausreichend feuchtem Boden verzichtet werden. Wir haben da nur gerade mit Petrus ein Kommunikationsproblem.


Das perfekte Saatgut für die Ponyweide

Die Auswahl des richtigen Saatguts ist für Ponyhalter so etwas wie der Heilige Gral. Also die Frage, was denn eigentlich auf der Wiese wachsen soll, was nicht fett macht aber satt? Jessy ist in Sachen Pferdehaltung und Weidemanagement ganz klar der Trumpf in unserem Team. Sie hat Abende lang die Zusammensetzungen handelsüblicher Saatgutmischungen studiert, Gräser auf ihren Fruktangehalt geprüft, Anbieter und Preise verglichen und in den letzten zwei Wochen vermutlich das Grundstudium der Agrarwissenschaften absolviert. Alles für den Club!

And the Winner is *tadaa*: Achtung, geht los mit der unbezahlten Werbung COUNTRY Horse 2120 - Balance der Deutschen Saatveredelung AG (DSV)

Die DSV ist ein deutsches Pflanzenzuchtunternehmen und hat eine ganze Palette Saatgutmischungen für Pferdehalter im Programm. Ihr Grünlandangebot nennen sie COUNTRY, die verschiedenen Produkte für Pferdewiesen gibt es in der Serie COUNTRY Horse XY. Aber ganz egal, für welchen Anbieter Ihr Euch entscheidet, nehmt vorzugsweise etwas speziell für Pferdeweiden. Weideland wird von Pferden nämlich deutlich stärker belastet als z. B. von Kühen, denn Pferde verbeißen schärfer und neigen zu einer stärkeren Futterselektion. Bei uns zeigte sich das ganz deutlich in kahlen, z. T. sogar frei gebuddelten Stellen (wo unser Trüffelschwein Lilly sogar nach den Wurzeln ihrer Lieblingspflanzen gegraben hat), in Bereichen, wo altes Gras, das sie nicht so gerne mochten, überstand und eben jenen Arealen, wo sich in den Lücken schnellwüchsige, aber (aus Landwirtssicht) minderwertige Gräser wie die Gemeine Rispe (die hat einen geringen Futterwert, wogegen wir nichts einzuwenden hätten, ertragsorientierte Bauern aber natürlich schon) oder unerwünschte Arten wie Ampfer und Brennnessel oder schlimmstenfalls Giftpflanzen angesiedelt haben (zum Glück haben wir bei uns letztes Jahr nur genau eine Jakobskreuzkrautpflanze gefunden, woanders wurden die ja zur richtigen Plage).


Gerne sei angemerkt, dass natürlich auch viele andere Hersteller tolles, fruktanarmes Saatgut für Pferdeweiden anbieten. Die Mischung vom DSV war letztlich nur unser Preis-Leistungs-Sieger.



Zurück zum Saatgut. Die genannte Mischung ist eine fruktanreduzierte Samenkombination, die die DSV wegen des hohen Strukturanteils und spät blühender Gräser eigentlich für Wiesen zur Heu- und Silagegewinnung empfiehlt (über die Eigenschaften von gutem Heu – viel Faser, wenig Wasser, wenig Eiweiß und kaum Zucker, dazu Kräuter und Gräser – erzähle ich gerne zum Herbst mal mehr). Nun, wir heuen zwar nicht, aber müssen auf die schlanke Linie achten. Noch hatte keines unserer Ponys Hufrehe, aber sie sind tendenziell bis absolut zu fett und riskieren wollen wir auch lieber nichts. Deshalb also die Balance Mischung. Sie enthält nur 5 % Weidelgras vom frühen Rasentyp, was prima ist (ganz ohne geht es nicht, es ist einfach die wichtigste Gräserart des Dauergrünlands, die sich praktischerweise durch Beweiden und Schnitt vegetativ über Seitentriebe vermehrt, was ja durchaus wünschenswert ist). Weidelgras erkennt man übrigens an seiner rasenartigen Struktur, die sattgrün und glänzend ist. Der Großteil unserer Wahl-Nachsaat sind allerdings Samen vom Lieschgras (30 %) und Wiesenschwingel (25 %), beides strukturreiche Gräserarten. Wiesenschwingel ist ein sogenanntes Horstgras, das keinen Rasen bilden kann. Es ist ein ansaatwürdiges Obergras, das nur langsam Nährstoffe anreichert – damit also ein hochwachsendes Diätgras, wenn man so will. Wiesenlieschgras ist im Gegensatz zum Weidelgras sehr winterhart, entwickelt sich allerdings sehr langsam. Zu diesen vermutlich nicht so leckeren Gräsern gesellt sich in der die Wiesenrispe (15 %). Sie ist ein ausgezeichnetes Futtergras, das sehr trockenheitsverträglich und rasenbildend ist. Zum gleichen Anteil sind dann noch Rotschwingelsamen drin. Die borstenartigen, harten Blätter des Rotschwingels haben eine geringe Energiedichte und werden nur ungerne gefressen. Eigentlich haben wir von diesem trockenbeständigen Gras schon genug da, aber nun, wir konnten die Samen ja schlecht wie einst das Aschenputtel aus der Fertigmischung herausfischen ...


Was uns neben einem geringen Fruktangehalt noch wichtig war, sind Kräuter. Keine der eingangs so böse beschimpften (doch sicherlich gesunden) Salatzutaten, sondern coole Kräuter. Solche, die den Stoffwechsel anregen, das Immunsystem unterstützen oder sonstwede tollen Wirkungen entfalten. Wir füttern ja sowieso immer irgendwelche Kräuter. Schadet nicht und hilft im Zweifel! Besonders mit Bronchialkräutern haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, die in Kombination mit Fenchelhonig und Fencheltee einiges an Tierarztkosten sparen (wenn Bine und Lilly mal wieder husten, weil sie nicht campen wollen, siehe Post über die Totholzhecke). Ok, zurück zum Thema, über Kräuter in der Pferdefütterung reden wir ein anderes Mal.


Wir haben für letzendes vier Säcke COUNTRY Horse – 2120 bestellt und – für die pikante Note und etwas mehr Vitalität – noch zwei verschiedene Kräutersaatmischungen hinzugeordert. Zum einen machte das Kräutermenü der DSV das Rennen (COUNTRY Horse – 2122). Und dann gab es noch den Kräutermix von Agrobs dazu. Wenn denn jetzt alles klappt, sollten so in drei bis vier Wochen auch Fenchel, Wilde Möhre, Wiesenlabkraut, Kümmel und Futterchicorée, Spitzwegerich, Schafgarbe und Wiesenknopf ihre Köpfchen aus der Erde recken.


Unsere Erfolgsformel für 3 ha Weideglück: Achtung, nochmals unbezahlte Werbung 4x 10 kg COUNTRY Horse Balance (2120) + 1,5 kg COUNTRY Horse Kräutermenü (2122) + 1 kg Agrobs Kräutermix

Zu früher Stunde war es am Samstag endlich soweit. Hans-Heinrich kam in Herrgottsfrühe mit großem Gefährt aus Lilienthal, wir hatten zuvor noch letzte Aufräumarbeiten erledigt (zum Beispiel noch ein paar Gartensäcke voll olles Mulchgut von der Wiese gekratzt) und im schönsten Frühnebel zog der Nachsaatstriegel glücksverheißende seine Runden ...



Jetzt heißt es abwarten und Petrus ankacken. Schließlich können wir keine 3 ha Wiesen wässern. Und Minusgrade – sag mal, gehts dem noch gut?! (schon klar, wir haben Anfang April, aber trotzdem. Menno! Es war doch perfekt vorausgesagt – ein paar Tage Sonne und Wärme, die die Bodentemperatur erhöhen, dann einige Tage mit Regen und dann wieder schönes Wetter). Nun denn, irgendwann werden die Samen schon keimen. Wir vertrauen einfach darauf, dass die Ponys einen großen Teil der Nachsaat ausreichend in die Erde trampeln und der Rest auch sonst gut anwurzelt. Und während das Saatgut seine Antennen in den Boden streckt, werden wir noch hier und da etwas von dem getrockneten Moos-Kraut-Filz von den Weiden schaffen, das sich beim Wenden des Treckers und in einigen Senken zu kleinen Häufchen gesammelt hat. Wiese 1 ist schon ziemlich aufgeräumt. Bleiben nur noch 2, 3 und 4 ...


Bis ganz bald,

Eure Anna und Jessy



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